urgent action

Anmerkungen zur Demonstration antideutscher Gruppen am 18. Mai in Babenhausen

 

Von gruppe demontage, Juni 1997

 

Seit der Demonstration in Grevesmühlen anläßlich der Prozeßeröffnung gegen Safwan Eid haben Teile der antinationalen Linken eine neue Aktionsform entdeckt: mit wenigen Leuten raus auf's Land, den Leuten mal richtig die Meinung sagen, dann möglichst schnell wieder nach Hause, um dort die moralische Genugtuung des Rechthabens vor sich herzutragen. In dieser Form fand sich auch ein Bündnis verschiedener Gruppen, das bereits zu Demonstrationen in Teltow sowie Stade mit jeweils mäßiger Mobilisierung und Beteiligung aufgerufen hatte. Diesmal wurde zur Demonstration am Pfingstsonntag nach Babenhausen geladen. Anlaß war der jahrelange antisemitische Terror gegen den bis 1993 in Babenhausen lebenden Tony Merin und das Abbrennen seines Anwesens am 1. Mai 1997 (s. jW vom 14.5., Beilage S.7).

            Mit der Demonstration sollte die Bevölkerung ausschließlich moralisch verurteilt werden. Nicht, daß es nicht notwendig wäre, Widerstand gegen die zunehmenden antisemitischen - verbalen wie militanten - Angriffe zu entwickeln, und die Kontinuitäts- und Bruchlinien deutscher Volksgemeinschaftlichkeit in die Öffentlichkeit zu bringen. In dem Demoaufruf stellen die VeranstalterInnen jedoch klar, daß sie die "Babenhausener Volksgemeinschaft" nicht erreichen wollen (vgl. jW). Wen dann? Die bürgerliche Presse oder mal wieder das ominöse Ausland, das nur so auf die Aktionen der Antideutschen wartet? Am Ende ist es vermutlich doch nur wieder die eigene Szene und dann gäbe es vielleicht sinnvollere Orte, sich über Analyse und gemeinsames Vorgehen zu verständigen. Notwendig ist bei solchen Aktionen zumindest, die wenigen FreundInnen von Merin und regionale AntifaschistInnen zu berücksichtigen, um ihnen Mut zu machen.

            Doch nicht nur in der Form der Aktion liegt das Problem, auch die inhaltliche Ausrichtung des Flugblatts offenbart die Mängel der fehlenden Auseinandersetzung über eine antideutsche Analyse. So wird der Antisemitismus bereits in der Überschrift naturalistisch bestimmt: "Die antisemitischen Flammen ersticken ... diesmal in Babenhausen" (vgl. Demoanzeige). Antisemitismus wird in dem Aufruf aus der realen Personifizierung "der Juden" hergeleitet. Eine solche Bestimmung bleibt fetischhaft, weil sie Antisemitismus aus der Existenz von Menschen jüdischen Glaubens ableitet und nicht umgekehrt Antisemitismus als Projektion begreift.

            Daneben irritiert uns die Fixierung im Aufruf auf Tony Merin als jemand, der sich in Deutschland nicht den Mund verbieten läßt, und der dagegen gesetzten Abqualifizierung jener, die mit Deutschen zusammen "'Shoah-Business' betreiben [und] Erinnungsfestspiele veranstalten." Eine solche Einteilung der Opfer und ihrer Angehörigen entspricht dem Ableitungsdogma orthodoxer Linker, die ihre Gedenkliste mit dem per se kämpferischen Proletariat eröffnen. Um diesen Verdacht nicht aufkommen zu lassen, wird der 1. Mai im Demoaufruf zum "(national)revolutionären Feiertag" erkoren. NPD-Demos, DGB-Sozialpartnerschaft sind das eine, aber ohne revolutionären Bezug - auch auf den 1. Mai - wird sich Antisemitismus wie in Babenhausen zukünftig nicht verhindern lassen.

 

gruppe demontage


 

Auszug aus dem Mobilisierungsflugblatt zur Demonstration in Babenhausen:

 

(...) Wir rufen dazu auf, in Babenhausen gegen die antisemitischen Zustände in Deutschland zu demonstrieren, die mit und ohne Juden ihren mörderischen Lauf nehmen. Das tun wir nicht in der Hoffnung, daß irgendwelche Babenhäuserinnen nachdenklich werden; denn wenn die Einmaligkeit der Verbrechen ihrer Vorfahren nichts bei ihnen bewegt hat, wird auch unsere Demonstration daran nichts ändern. Wir wollen einen Ort besuchen, an dem das Verbrennen jüdischen Eigentums wieder als Bagatelle behandelt wird: Der Brandanschlag wurde erst durch Merin selbst vier Tage später öffentlich gemacht. Wir wollen gegen das Verschweigen Öffentlichkeit herstellen. Und nicht zuletzt: Unsere Wut zum Ausdruck bringen und der Bevölkerung von Babenhausen ihre Siegerlaune auf ihrem pfingstsonntäglichen Volksfest ein bißchen verderben.