Konkret 12/98, S. 39
gruppe demontage
Von Abs lernen?
Fünfter
und letzter Teil einer Serie über die Politik nationaler Befreiungsbewegungen
in Zeiten des Postfordismus. Diesmal zum Thema: »Hoch die internationale
Solidarität«
»Proletarier aller Länder,
vereinigt euch«, rief das Kommunistische Manifest. Die Komintern
erweiterte die Losung zwischen den Weltkriegen zu »Proletarier aller Länder und
unterdrückte Völker, vereinigt euch«. Erstes Ziel aller internationalen
Solidarität ist das befreite Volk, die befreite Nation.
Geburtshelfer des neueren
Internationalismus in den Metropolen in den sechziger Jahren war der
Befreiungskampf des kommunistischen Vietcong in Vietnam. In der BRD waren zwei
Aspekte für die Positionsfindung der Linken nach 68 zentral: Antiamerikanismus
und Anti-Nationalsozialismus. Die Konfrontation mit »Hitlers willigen
Vollstreckern« währte dabei nur kurz und hatte keinerlei Folgen für den Bezug
der Neuen Linken auf »das Volk«. Den meisten galt der Faschismus als
»reaktionärste Form der Herrschaft des Finanzkapitals« (Dimitroff), die sich
vor allem gegen die organisierte Arbeiterklasse richte. Allzu leicht wurde der
Widerstand kommunistischer Arbeiter als Widerstand des deutschen Proletariats
verstanden, in dessen Tradition man sich stellen konnte. Der Rassismus und
Antisemitismus »von unten« wurde ignoriert oder verdrängt.
Was den Antiamerikanismus
angeht, so konnte die Neue Linke an die alte anknüpfen. Im »Programm zur
nationalen Wiedervereinigung« von 1952 hatte die KPD formuliert: »Nicht nur die
Wirtschaft, auch die gesamte Innen- und Außenpolitik, die ganze Lebensweise ist
durch das amerikanische Besatzungsregime in Fesseln geschlagen ... Zugleich
führt der amerikanische Imperialismus einen systematischen Kampf gegen die Nationalkultur.
Er möchte sie vernichten, damit die Deutschen vergessen, daß sie Deutsche sind,
und daß sie eine große Vergangenheit als selbständige und begabte Nation
besitzen. Er möchte das deutsche Volk dazu erziehen, auf einen einheitlichen,
deutschen Nationalstaat zu verzichten und die >amerikanische Lebensweise(
mit ihrer äußerlichen und primitiven >Kultur< anzunehmen. Die
amerikanischen ... Machthaber wollen nur für ihr eigenes imperialistisches Land
das Recht auf selbständige nationale Existenz gelten lassen, indem sie ihnen
das >Europäertum<, die >Integration Europas<, den
>Kosmopolitismus< usw. aufzwingen. «
Das griff die Neue Linke später
in unterschiedlichen Varianten auf. Die Deutschen wurden auf der Opferseite der
Weltgeschichte angesiedelt, der BRD meist nur eine Nebenrolle in der
Metropolenherrschaft zugedacht. Die Rote Armee Fraktion ging beispielsweise in
ihren Analysen davon aus, daß die BRD ein Vasall der USA sei. Und die deutsche
Friedensbewegung kämpfte Anfang der achtziger Jahre gegen den möglichen
Untergang des deutschen Volkes, der durch amerikanische Raketen
heraufbeschworen zu werden schien.
Erst die Wiedervereinigung und
der Zweite Golfkrieg 1991 ließen den Antiamerikanismus zum Streitfall werden.
Teile der Linken weigerten sich, Saddam Husseins Irak mit antiimperialistischer
Solidarität zu begegnen. Im Februar 1991 hatte das Plenum der Hamburger
Hafenstraße ein Flugblatt mit den Parolen »Boykottiert Israel -Solidarität mit
der Intifada; Arabien den arabischen Völkern; für das Selbstbestimmungsrecht
des kurdischen und palästinensischen Volkes« beendet. So standen nun die
Linken, die in Saddam einen Antiimperialisten sahen, jenen gegenüber, die den
Militärschlag des Weltpolizisten USA als Aktion gegen den arabischen (und den
deutschen) Antisemitismus begrüßten.
In diesem Streit ging die
Auseinandersetzung mit der Rolle Deutschlands in der neuen Weltordnung unter.
Während des Golfkrieges gingen Hunderttausende auf die Straße. Doch nicht der
neue deutschen Imperialismus war ihr Thema, sondern die Selbstinszenierung als
Opfer: »Gestern Dresden, heute Bagdad - Schluß mit den Bomben!«
Die volkstümelnde Politik, die
sie von der KPD übernommen hatten, bestimmt das Verhältnis von Teilen der
Solidaritätsbewegung zu »Volk« und »Klassenkampf« bis heute. Ende der 50er
Jahre hatte sich zur Unterstützung der algerischen Befreiungsbewegung FLN zum
ersten Mal in der BRD (unter maßgeblicher Beteiligung der illegalen KPD) eine
kleine Solidaritätsbewegung gebildet. Wie später in Vietnam wurde in Algerien
eine Kolonialmacht bekämpft, die -im Gegensatz zu heutigen Formen neokolonialer
Abhängigkeit - zugleich Besatzungsmacht war, die von Siedlern, Söldnern und
Teilen der einheimischen Bourgeoisie unterstützt wurde. Die Parole »Sieg im
Volkskrieg« und damit das Volksfrontkonzept beschrieb den Plan, ein
sozialistisch-antikolonialistisches Bündnis aus Proletariat, Bauern und
Kleinbürgertum zusammenzubringen.
Wenn sich heute große Teile der
internationalistischen Linken in der BRD auf einen aus dem Volksfrontkonzept
abgeleiteten Volksbegriff beziehen, ignorieren sie die völlig veränderte
Struktur der gegenwärtigen neokolonialen Ausbeutungsverhältnisse. Während eine
fordistische Befreiungsbewegung noch darauf hoffen konnte, unter
sozialdemokratischen oder planwirtschaftlichen Vorzeichen eine autarke
Nationalökonomie aufzubauen, ist diese Perspektive im Postfordismus hinfällig
geworden. In Algerien etwa, wo das Volksfrontkonzept zur Bildung einer
Staatsbourgeoisie geführt hat, ist mit dem Wegfall der wohlfahrtsstaatlichen
Abfederung eine Situation entstanden, in der die sozialen Widersprüche hinter
der Konfrontation von Islamisten und Anhängern westlicher Kultur verschwinden.
Auch die Formierung des
imperialistischen Blockes Europäische Union und die hegemoniale Rolle der BRD
spielen in den Diskussionen der deutschen Internationalismus-Szene kaum eine
Rolle. Statt dessen nimmt der Großteil der Solibewegung bis heute sämtliche
Konfliktlinien durch eine nationalistische Brille wahr. Im Artikel zum
Baskenland (KONKRET 10/98) haben wir beschrieben, wie die
linksnationalistisch-baskische Bewegung die sozialen Kämpfe der nationalen
Frage unterordnet. In dem unter radikalen Linken viel diskutierten Papier »Ich
sag, wie's ist« wird die ETA dafür gelobt und bedauert, »daß es außerhalb des
Baskenlandes und Nordirlands, wo die bewaffneten Befreiungskämpfe sich auf eine
breite Basis in der Bevölkerung stützen können ... in Westeuropa keine
revolutionäre Gegenmacht gibt ... Sowohl im Baskenland als auch in Nordirland
geht es um nationale und soziale Befreiung.«
In dieser Argumentation fällt
nicht nur die Gleichsetzung von antikolonialem Kampf und sozialer Befreiung ins
Auge. Auch die Gleichsetzung von militanten Untergrundorganisationen mit
revolutionärer Gegenmacht erklärt sich nur dadurch, daß Revolution und Nation
nicht als Widerspruchsverhältnis, sondern als Einheit gesehen werden. Auch Ende
der 90er Jahre fehlt eine kritische Position der solidarischen Linken, wenn
Sozialabbau und Deregulierung im Baskenland vom linksnationalistischen Spektrum
als nationalistische Komplotte der spanischen Zentralregierung gedeutet werden.
Die Solibewegung zu Kurdistan
verzichtet weitgehend auf Kritik der nationalistischen PKK-Politik und
beschränkt sich auf Übernahme von Durchhalte- und Erfolgspropaganda. In einem
Hamburger Flugblatt (»§ 129a Prozeß gegen zwei kurdische Genossinnen und einen
kurdischen Genossen in Hamburg«) aus dem Frühjahr 1996 heißt es u. a.: »Die
Kurdin oder die Migrantin stehen dagegen auf der Seite der Ausgebeuteten, ob
sie dagegen kämpfen oder nicht.« Wer alle Kurdinnen zu Ausgebeuteten erklärt,
reproduziert in alter Manier den Mythos vom ausgebeuteten Volk und erleichtert
die patriarchale und kapitalistische Ausbeutung innerhalb des (neo)kolonialen
Verhältnisses. Niemand steht allein durch seine soziale Position auf der Seite
der Revolution.
»Überall auf den Rängen sah man
auf und ab wiegende Reihen, die zumeist in die kurdischen Nationalfarben grün,
gelb und rot getaucht waren«, beschreibt ein Artikel die Stimmung auf einem
Festival (»Kurdistan Rundbrief« Nr. 20). Die Zuschauer werden in dieser
Darstellung zu einer zum Leben erweckten Masse, in der sich das nationale
Symbol ausdrückt. Das kämpfende Volk wird zum Schnittpunkt der aktuellen
Politik und der eigenen deutschen Geschichte. Die Vorstellung einer völkischen
Einheit, die sich für den deutschen Kontext verbietet, wird auf eine imaginäre
kurdische Nation projiziert und findet ihren Dank darin, wenn PKK-Chef Öcalan
sich dafür entschuldigt, daß Kurden mit ihren Aktionen »die Gefühle des
deutschen Volkes verletzt« hätten.
Jede linke Szene sucht sich die
Bewegungen aus, in denen sie sich selbst am besten spiegeln kann. Für Anti-Imps
ersetzt heute die PKK die vergangene Leitbild-Funktion der RAF. Die
zapatistische EZLN weckt dagegen Interesse vor allem bei Teilen der Autonomen
und zahlreichen anderen Linken. Sozialrevolutionäre und Feministinnen beziehen
sich insbesondere auf die Forderung der EZLN, soziale und antipatriarchale
Kämpfe nicht mehr hinter die vermeintliche Vorrangigkeit einer auf einen
Nationalstaat ausgerichteten »nationalen Befreiung« zurückzustellen.
Die Solibewegung zu Chiapas ist
allerdings so widersprüchlich wie die Positionen der EZLN selbst. Anstatt die
Eigenbezeichnung »Indigenas« auf sich beruhen zu lassen, erheben Teile der
Soliszene »Indigena-Sein« zur politischen Kategorie. Dabei verschwinden nicht
nur die Klassenwidersprüche innerhalb der indigenen Gruppen, auch die
traditionellen patriarchalen Rollenzuschreibungen werden unter der »vorhistorischen
Indigenakultur« verschüttet.
»Nichts gegen Enthusiasmus,
aber teilweise schien das Skandieren von >EZLN< und >Viva Zapata<
die fehlende Distanz zur zapatistischen Bewegung auszudrücken. Politisch wird
eine solche Position vor allem dann gefährlich, wenn sie permanent auf ein
vereinheitlichendes >wir< rekurriert, das es gar nicht gibt«, schreibt
Ulrich Brand nach dem ersten »intergalaktischen« Treffen 1996 in Chiapas (in
»blätter des iz3w«). Eine Debatte darum, wie das Konzept der Machtübernahme durch
eines der schrittweisen Zersetzung der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer
Institutionen ersetzt werden kann, könnte zu einer Kritik der bestehenden
gesellschaftlichen Verhältnisse führen, die Patriarchat, Rassismus und
politische Ökonomie thematisiert und über die gegenwärtige Kritik am
Neoliberalismus hinausreicht. Bei aller Kritik sehen wir im Ansatz der EZLN,
die den Kampf für den Sozialismus nicht nur als Ziel beschwört, um gegenwärtige
Defizite zu überspielen, sondern die Fallstricke von Rassismus,
Verstaatlichung, Patriarchat und der Unterordnung sozialer Kämpfe zu kappen
versucht, als einen Bezugspunkt unserer politischen Arbeit.
Die Hochzeit der klassischen
Solibewegungen in den 70er und 80er Jahren ist vorbei, die meisten
Restbewegungen kämpfen um ihren Fortbestand. Die Diskussion in der
Internationalismusszene hat sich in der Regel von kapitalismuskritischen
Ansätzen verabschiedet. Die Gefahr, in der eine Befreiungsbewegung
grundsätzlich steht: Staat im Wartestand zu werden, droht heute auch den
Solibewegungen, und die sogenannten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind
ihr längst erlegen.
Die heutigen NGOs sind zu
wichtigen Vermittlern jener staatlichen Entwicklungspolitik geworden, die noch
in den achtziger Jahren als neokoloniales Projekt kritisiert worden war.
Jüngstes Beispiel ist die »Agenda 21«, die von über 170 Staaten unterzeichneten
entwicklungs- und umweltpolitischen Richtlinien für das 21. Jahrhundert. Zum
ersten Mal waren im größeren Maßstab NGOs in die Vorbereitung einbezogen
worden. Zwar ist in dem Dokument sogar von Atomkraft und Gentechnik die Rede,
nicht jedoch von Kapitalismus, obwohl in den NGOs heute die Leute sitzen, die
noch vor zehn Jahren als Brigadisten durch die Welt reisten oder die
antiimperialistische Revolution in den Metropolen predigten.
In welchem Maß die Lobby-Arbeit
der NGOs auf Kosten einer politischen Auseinandersetzung geht, zeigte die
Diskussion um die Kampagne »Erlaßjahr 2000« im August 98, die eine Entschuldung
der ärmsten Länder zur Jahrtausendwende verlangt. Zur Begründung ihrer
richtigen Forderung verweisen die Veranstalter auf ein Vorbild: Der BRD seien
ja auch die Schulden des Dritten Reichs erlassen worden. In einer
Presseerklärung rechtfertigte die Lobby-NGO »Germanwatch« ihre Geschichtsschreibung:
»Von Abs lernen - diesen Slogan benutzen wir schon seit längerem.« Was Abs »für
Deutschland herausgeholt« habe, sei ein »erfolgreiches Modell«.
Von Abs lernen? Hermann Josef
Abs leitete bei der Deutschen Bank seit 1938 die Arisierung jüdischen
Vermögens, war seit 1940 im Vorstand der IG Farben, seit 1941 Aufsichtsrat bei
der IG Auschwitz. Bei den Entschuldungsverhandlungen 1952 boykottierte Abs die
Entschädigungszahlungen der BRD an Israel. Als das »iz3W« die Kritik an Abs
beim Hauptinitiator der Erlaßjahr-Kampagne vortrug, rechtfertigte dieser den
Bezug auf Abs mit dessen Rolle als vorbildlicher Chefunterhändler.
Wie es zu dieser
Institutionalisierung der Solipolitik gekommen ist, läßt sich am Beispiel von
Nicaragua verdeutlichen. Als 1979 die Sandinisten den Somoza-Clan militärisch
entmachteten, übte dies auf die hiesige Linke einer ungeheure Faszination aus.
Die Nicaragua-Solidarität setzte sich aus einem breiten Bündnis
unterschiedlicher gesellschaftlicher Kräfte zusammen: klassische Antiimperialisten,
Grüne, Gewerkschaftler, kirchliches Milieu, linke Sozialdemokraten,
Dritte-Welt-Gruppen etc. Von 1979 bis 1990 reisten über 15.000 Menschen aus der
BRD nach Nicaragua, um dort als Brigadisten die Errungenschaften der Revolution
absichern zu helfen. Dieses Bündnis setzte in der bis dahin fast ausschließlich
antistaatlichen Solibewegung neue Akzente. »Die Abwesenheit eines
antiimperialistisch-formierenden Diskurses der Nicaraguabewegung war einer der
Faktoren, die zu ihrem unpolitischen Charakter beitrug und ihre Arbeit auf die
Frage der Assistenz konzentrierte, d. h. zur internationalen Caritas machte.
Spiritus rector der Bewegung war die Kategorie >Hilfe< und politisches
Bewußtsein drückte sich in Maximen aus, wie >Nicaragua muß überleben<,
deren politischer Inhalt und propagandistische Stoßrichtung auf der Ebene von
>Save the Whales<-Parolen liegt« (Heinz Dieterich).
Dieses politische Verständnis
drückt sich auch in einer Umfrage über die Bewertung der Metropolensolidarität
aus, die 1992 in Nicaragua durchgeführt wurde. Über 90 Prozent der Befragten
gaben an, daß sie die Brigadenpolitik in erster Linie als karitative Hilfe
ansehen. Erst als zweitwichtigsten Grund, mit nur 45 Prozent, sagten die
Befragten, sie seien zur Unterstützung der Revolution nach Nicaragua gereist.
Die Aussage eines 42jährigen Lehrers aus Nicaragua verdeutlicht, daß diese
karitative Solidarität durchaus als paternalistische wahrgenommen wird: »Sie
kommen, weil hier Armut herrscht. Ich glaube, daß sie in alle Länder gehen, in
denen es Armut gibt. Sie sind wie die Pfarrer, die auch ihre Niederlassungen in
allen Ländern haben. Der Unterschied ist nur, daß diese Jungs jetzt lange Haare
haben und die Pfarrer nicht.«
Seit den 80er Jahren entstanden
diverse halbstaatliche oder staatliche Organisationen, die um materielle
Unterstützung für Nicaragua werben. Sie finanzieren sich durch direkte und
indirekte staatliche Subventionen, öffentliche Spenden und Gelder
gesellschaftlicher Institutionen. Zahlreiche größere Projekte (wie z. B.
Schulen oder Bewässerungsanlagen) in Nicaragua wurden mit direkten staatlichen
Subventionen umgesetzt. Die staatlichen Geldgeber haben natürlich kein
Interesse an einer Politisierung ihrer Investitionen, im Gegenteil.
Der postfordistischen
Deregulierung und Dezentralisierung kommt die Eigeninitiative der NGOs
entgegen. Die staatlichen Institutionen der Metropolen können Teile ihrer
neokolonialen Absicherung an die sich moralisch verantwortlich fühlenden
nichtstaatlichen Organisationen abgeben. Gegen diese »One World«-Versionen von
oben steht das sozialrevolutionäre Pendant, wie es in den letzten Jahren am
pointiertesten Karl Heinz Roth in Die Wiederkehr der Proletarität (1994)
vertreten hat. Roth leitet aus seiner Analyse globaler Verelendungsprozesse ab,
daß es zu »einer weltweiten Nivellierung der Klassenlagen (kommt), die die
bisherigen Unterschiede zwischen Erster, Zweiter und Dritter Welt genauso
aufhebt wie alle bisherigen Strategien zur >nationalen( Fixierung von
sozialen Emanzipationsbewegungen«.
Richtig ist, daß weltweit die
sozioökonomische Marginalisierung zunimmt. Diese Entwicklung zieht eine
verstärkte Fragmentierung der regionalen Klassenstrukturen nach sich. Das
tendenziell globale Akkumulationsregime baut dabei jedoch auf einer Vernetzung
der unterschiedlichen lokalen Klassenstrukturen auf. Sei es, daß
Rassifizierungsprozesse oder feudale Strukturen genutzt werden, daß
Lohnarbeiter in einem unterschiedlichen Grad marginalisiert oder
korporatistisch eingebunden oder daß patriarchale Unterdrückungs- und
Ausbeutungsformen einbezogen werden. Der Protest deutscher Bauarbeiter gegen
nichtdeutsche Arbeiter in den letzten drei Jahren verdeutlicht, daß
Standortdenken weiterhin die bestimmende Ausrichtung (inter-)nationalistischer
Politik ist. Der Weltstaat, den Protagonisten der »Agenda 21« anvisieren, ist
genauso wenig in Sicht wie eine weltweite politische Assoziation des
Proletariats. Revolutionäre Politik wird auch weiterhin im lokalen und
nationalen Rahmen stattfinden. Sie sollte allerdings tendenziell eine globale
Ausrichtung haben, da sie nur so bezogen bleiben kann auf die unterschiedlichen
Kämpfe weltweit.
Viele traditionalistische
Solilinke verbinden ihren Internationalismus mit einem unmittelbaren Bekenntnis
zur deutschen Nation. Manche Antinationale schlußfolgern hieraus verkürzt,
Internationalismus bedeute immer die Liebe erst zum exotischen, dann zum
deutschen Volk. Gefragt wäre dagegen ein kosmopolitischer Kommunismus, der das
Selbstbestimmungsrecht der Völker ebenso hinter sich läßt wie die Solidarität
zwischen Nationen. Eine antinationale Linke, die nicht internationalistisch im
kosmopolitischen Sinne ist, kann auf Dauer nicht existieren. Und umgekehrt:
Ohne Bekämpfung der deutschen Nation kein revolutionärer Internationalismus.